Stationen eines Erfolges

(geschrieben von Henrik Fisch, Happy Computer 4/89)

Die Atari 8-Bit Computer Serie waren einige der wenigen Computer die sich auf dem rasch verändernden Computermarkt mit seinem für damalige Verhältnisse genialen Konzept über zehn Jahre lang durchsetzen konnte. Grund genug für einen Rückblick auf die Anfänge.


1979 Auf der Winter-CES in Chicago treten sich Händler, Journalisten und Neugierige gegenseitig auf die Füße. Nach einjähriger Entwicklungsarbeit stellt Atari sein neues Heimcomputersystem vor. Zwei Geräte sind am Stand zu bestaunen: ein kleines, das als Spielcomputer Verwendung finden, und ein größeres Gerät, das auch in Büros als Textsystem eingesetzt werden soll. Es ist die Geburtsstunde des Atari 400 und Atari 800.
Beide Geräte haben ein schreibmaschinenähnliches, beiges Gehäuse mit dunkelbrauner Tastatur. Der Atari 400 besitzt eine Folientastatur, der 800er eine richtige Schreibmaschinentastatur. Beide werden in der Grundausstattung mit 16 KByte RAM geliefert. Beim Atari 800 kann der Speicher mit 16 KByte RAM Steckmodulen auf 48 KByte ausgebaut werden. Auch das Betriebssystem (10 KByte ROM) befindet sich in einer Steckkassette und läßt sich austauschen.
Beide Computer haben vier Joystick Anschlüsse und einen Schacht für ROM Steckmodule bis zu 16 KByte.
Auf der CES waren zwei Module zu bestaunen: die Programmiersprache Basic (8 KByte ROM) und das Star Raiders-Modul (ebenfalls 8 KByte). Ohne ein eingestecktes Modul arbeiteten die Computer als eine Art Notizblock. Auf dem Bildschirm konnten Nachrichten und Notizen geschrieben werden.
Der 800er unterschied sich weiterhin vom 400er durch seinen zweiten eingebauten Modulschacht. Allerdings wurde dieser Schacht nur von einem einzigen Modul genutzt, das beim Programmieren mit Atari-Basic einige zusätzliche Funktionen zur Verfügung stellte. Zusätzlich besitzt der 800er einen Videoausgang, während der 400er nur an einem Fernsehgerät zu betreiben ist.
Mit hochauflösender Grafik und 128 Farbabstufungen will Atari den Kampf gegen die vorherrschenden Geräte am Markt aufnehmen: den Tandy TRS80, den Commodore PET 2001, den Sharp MZ-80K und vor allem gegen den technisch ähnlich ausgerüsteten Apple II.
Preis der Computer: rund 2500 Mark für den 400er und rund 3500 Mark für den 800er. Ein l6KByte RAM-Modul kostet 350 Mark. Für ein im Lieferumfang nicht enthaltenes Basic-Steckmodul müssen ebenfalls 350
Mark bezahlt werden. Das Star-Raider Spielevergnügen kostet rund 140 Mark.Die Einführung des 400er und 800er wird ein Riesenerfolg. Alles, was bis dahin für den Apple II an Software erhältlich war, wird von den Programmierern sofort für die neuen Atari-Computer umgestrickt. Atari selbst bringt Pac-Man und Asteroids von der Spielhalle in die Wohnstube. Ein neues Computersystem ist geboren, das die Hersteller anderer Systeme ins Schwitzen bringt.


1983 Vier Jahre lang gabes nur zwei Farb-Heimcomputersysteme: die Atari-Computer und den Apple II.
Dann drängen andere Systeme wie der TI 99/4 von Texas Instruments und der Commodore VC 20 auf den Markt. Zeit für Atari, über eine neue Computerreihe nachzudenken. Auf der Winter CES 1983 wird der
1200XL vorgestellt. 64 Kbyte RAM, viele Funktionstasten und ein neues, futuristisches Design zeichnen diesen Computer aus. Er soll in jede Wohnumgebung passen. Geplant sind Geräte mit verschiedenen
Edelholzfurnier-Gehäusen. Weiterhin soll es einen 1400XL mit eingebautem Modem sowie ein 1450XLD mit zwei eingebauten Diskettenlaufwerken geben.
Der 1200XL wird schließlich nur in Amerika zu kaufen sein, der 1400XL und 1450XLD kommen über Labor-Testmuster nicht hinaus. Begründung: Der 1200XL war nicht vollständig kompatibel zum Atari 800. Statt dessen brint Atari im Spätsommer 1983 den 600XL und den 800XL mit jeweils eingebauten Basic auf den Markt. Der 600XL unterscheidet sich vom 800XL lediglich in seinem 16 Kbyte großen Speicher, der mit einem ansteckbaren Modul auf die 64 Kbyte des 800XL aufgerüstet werden kann. Diese beiden
Computer haben einen komplett herausgeführten Systembus. Mit diesem können Bastler den Computer mit eigenen Schaltungen aufrüsten. Die vielen Funktionstasten des 1200XL fallen jedoch dem neuen Design zum Opfer, einzig die HELP-Taste bleibt. Anstelle der Notizblockfunktion der 400/800 Reihe, besitzt die XL-Reihe ein Selbsttestprogramm. Dieses prüft nach dem Einschalten den Speicher, den Soundchip und die Tastatur. Die Hardware unterscheidet sich bei der 600/800XL Serie nicht vom 400er und 800er, so daß auch die alte Software auf den neuen Computern läuft.

1985 ist eines der schwärzesten Jahre für Atari. Und wenn in diesem Jahr Commodore Aussteiger Jack Tramiel Atari nicht gekauft hätte, gäbe es die Firma wahrscheinlich nicht mehr. Tramiel aber beginnt die Entwicklung eines preiswerten l6 Bit-Computersystems: den Atari ST. Glück für Atari, rissen doch die ST-Verkaufszahlen die Firma aus den roten Zahlen. Der 600 XL wird nicht weiter verkauft. In einem völlig neuen Gehäuse, aufgerüstet auf 128 KByte RAM, kommt ein neuer 8-Bit Computer auf den Markt: der 130XE mit dem ST-ähnlichem Design. Er hatte die gleichen technischen Daten wie der 800 XL, bis auf eine Kleinigkeit: Der Systembus, für den es inzwischen verschiedene Erweiterungen zu kaufen gibt, schrumpft beim 130XE auf ein sogenanntes ,,Enhances Cartridge Interface". Die Signale, die gegenüber dem
ursprünglichen Erweiterungs-Bus nicht mehr zur Verfügung standen, konnten jedoch am beim 130 XE rückwärtig angebrachten Modulschacht abgegriffen werden.


1987 wird auch der 800 XL nicht mehr hergestellt. Statt dessen kommt der 800 XE auf den Markt. Er besitzt das gleiche moderne Gehäuse wie der 130XE, verfügt jedoch wie der 800 XL nur über einen Speicher von 64KByte RAM.


1988 erscheint Ataris bislang letzte Entwicklung des 8-Bit-Sektors: Das XE-Game-System. Im Prinzip handelt es sich dabei um nichts anderes als einen 800XE ohne Tastatur. Diese kann jedoch nachgekauft werden, so daß ein vollwertiges Computersystem zur Verfügung steht. Über einen seriellen Bus können sämtliche Peripherie-Geräte der XE-Computerserie angeschlossen werden. Einen Erweiterungs-Bus wie beim XL oder beim XE gibt es nicht.
Beim Einschalten des XE-Game-System steht das Spiel "Missile-Command" zur Verfügung. Gleichzeitig liegt dem Spielsystem der Flightsimulator II auf einem 128KByte-Modul bei.


1989 das 8-Bit -Atari-Computersystem feiert zehnjähriges Jubiläum. Die drei Spezialchips und der Mikroprozessor des XE-Game-Systems sind die gleichen wie in den 400er und 800er Computern.
Technologisch hat sich an den 8-Bit Computern nichts verändert. Die Atari Computer sind damit die einzigen auf dem sich rasant entwickelnden Computermarkt, die über eine Zeitspanne von Zehn Jahren verkauft wurden.


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