Interview mit Nolan Bushnell, Erfinder von
Pong
und Atari-Gründer
Tilman
Baumgärtel*
10.11.98
"Stellen Sie sich
vor, man könnte bei "Doom" Mannschaften
bilden!"
Zwei
leuchtende Striche spielen sich auf dem Monitor ein
Klötzchen zu - das ist alles. Doch es genügte, um eine
kleine Revolution auszulösen. Das kleine Klötzchen war
der Ball, die leuchtende Striche die Schläger, die man
mit Joysticks bewegen konnte, und das ganze hieß
"Pong" und war das erste Computerspiel, das die
breiten Massen erreichte und dazu beigetragen hat, den
Computer als Haushaltsgegenstand durchzusetzten. Nolan
Bushnell, der Erfinder von "Pong", ist der
Vater aller Videospiele. Bei einem Besuch im Berliner "Computerspielemuseum" erinnerte sich der Atari-Gründer
daran, wie alles begann.
Als Erfinder von
"Pong" und Gründer von "Atari"
gelten Sie als der Vater der modernen Videospiele. Dabei
gab es bereits in den 60er Jahren ein Computergame, das
allerdings für Universitäts-Mainframes programmiert
worden war. Dieses Spiel hieß "Space War".
Kannten Sie diesen Spiel, und hat es Sie inspiriert?
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Nolan
Bushnell:
Ja. Ich war vollkommen fasziniert davon. Sowas
Tolles hatte ich noch nie gesehen. Ich wußte
sofort, daß das wichtig werden würde. Ich weiß
noch, daß wir es 1969 in der Uni auf einen
Mainframerechner heruntergeladen haben und damals
wirklich die ganze Nacht durch gespielt haben.
Wir fingen abends um acht an, und hörten erst
morgens um acht wieder auf. Und der einzige
Grund, warum wir überhaupt wieder aufhörten,
war, daß morgens die ganzen Informatiker an die
Rechner mußten. Wir Studenten hatten nur dann
Zugang zu den Computern, wenn sonst niemand dran
wollte. Darum haben die Hacker seit den 60er
Jahren dieses Image als Nachteulen, weil sie nur
dann an die Computer konnten, wenn alle anderen
schliefen. |
Warum ist niemand
auf die Idee gekommen, aus "Space War" eine
kommerzielle Anwendung zu machen und es auf dem
Massenmarkt zu verkaufen?
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Nolan
Bushnell:
"Space War" konnte nur auf einem
Computer gespielt werden, der damals etwa 7
Millionen Dollar kostete. Ich hatte auf einem
Jahrmarkt gearbeitet, und wußte, wieviel Geld
mit Slotmachines zu verdienen war. Damit war so
eine Investition nicht zu finanzieren. 1971
entdeckte ich eine Anzeige für einen der ersten
Microcomputer, der 3000 Dollar kosten sollte.
"Das ist es!", dachte ich. Eine
Investition in der Höhe kann man auch mit einer
Maschine reinbekommen, in die die Leute nur ein
paar Quarter stecken. Wir bestellten einen
Computer, und begannen damit zu experimentieren.
Bald stellte sich heraus, daß dieser Computer
für Spielanwendungen zu langsam war.
Schließlich bauten wir unsere eigene Maschine.
Daraus entwickelte sich unser erstes Spiel, das
eigentlich noch kein Computerspiel im engeren
Sinne war. Es bestand aus Transistoren, den
Bauplan hatten wir selbst entworfen, aber es
hieß trotzdem "Computerspace".
Mikroprozessoren gab es damals noch nicht, und
erst eine viel spätere Version von
"Pong" lief auf einem Chip. "Computerspace"
verkaufte sich nicht schlecht, aber es war auch
kein Riesenerfolg. Alle meine Freunde liebten es,
aber die meisten meiner Freunde waren Ingenieure!
"Computerspace" war einfach noch zu
kompliziert für ein größeres Publikum, das
bisher nur Flipper kannte. Als wir ein zweites
Spiel entwickelten, haben wir uns überlegt, wie
man das Ganze so einfach wie möglich machen
könnte. Wir haben uns entschieden, ein Spiel zu
nehmen, dessen Regeln jeder kennt. Fußball und
Baseball waren zu schwierig zu programmieren,
aber dann fiel uns Pingpong ein. Das versteht
jeder, und es war auch nicht kompliziert zu
programmieren. So entstand "Pong". Wir
haben es im Schlafzimmer meiner Tochter
entwickelt, die mußte in der Zwischenzeit ins
Zimmer von ihrer Schwester. Wir haben eine
Testversion in einer Kneipe aufgestellt, die
sofort kaputt war, weil die Münzdose in dem
Apparat übergelaufen war. Da wußte ich, daß
wir einen sicheren Erfolg gelandet hatten.
Vom ersten
"Pong", das noch ein Münzenspiel war,
haben wir 35.000 Stück verkauft. In England
mußten wir den Namen ändern, weil
"Pong" im britischen Slang ein Wort
für einen üblen Gestank ist. Unser englischer
Vertreter sagte mir: "Was sollen die Leute
denken, wenn sie in eine Kneipe kommen, und in
der Ecke steht ein Spiel, daß Pfurz
heißt?" Darum hieß "Pong" in
Großbritannien "Ping".
"Pingpong" war als Markenname schon
vergeben.
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Welche Bedeutung
hatte die Entwicklung von Microchips für die
Computerspiele?
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Nolan
Bushnell:
Ab Mitte der 70er Jahre waren Mikrochips billig
genug, um sie in ein Spiel einzubauen. Wir waren
die ersten, die diese Chips für nicht-
militärische Zwecke benutzten. Ich bin heute
fest überzeugt, daß wir es waren, die dazu
beigetragen haben, daß der Mikrochip zu einem
Massenartikel wurde. Durch unsere
Großbestellungen mußten die Hersteller
anfangen, Chips im großen Maßstab herzustellen.
Dadurch entwickelten sie die nötige Routine und
Qualitätssicherungsmethoden, die es später
möglich machten, Chips in riesigen Quantitäten
für den Einsatz in Personal Computers
herzustellen. |
Also würden Sie
sagen, daß "Pong" eine kulturelle Bedeutung
hat, die über das eigentliche Spiel hinaus geht?
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Nolan
Bushnell:
Man muß den Leuten die Möglichkeiten zeigen,
die ihnen Computer eröffnen. Computerspiele
haben mehr für die Verbreitung von Computern
getan, als jede andere Anwendung inklusive
Rechnen, Textverarbeitung, Spreadsheets,
Grafikprogramme. Nichts davon war so wichtig wie
die Computerspiele. Als "Pong"
herauskam, haben uns die Leute gefragt: "Wie
kommen die Signale denn zu der
Fernsehsehstation?" Die dachten, daß die
Bilder über einen Fernsehsender gehen mußten,
damit sie auf ihrer Mattscheibe erscheinen
konnten. Die Vorstellung, daß man einen Computer
an seinen Fernseher anschließen und dessen
Bilder manipulieren konnte, war ziemlich
revolutionär. |
Mit dem Geld, das
Sie mit "Pong" verdient haben, haben Sie Atari
gegründet. Können Sie darüber etwas erzählen?
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Nolan
Bushnell:
Die ersten Geschäftsräume, die Atari hatte,
waren 100 Quadratmeter groß. Es gab eine
Rezeption, mein Büro, noch ein Büro und eine
Produktionsfläche. Die Einzelteile kamen von
anderen Firmen, aber wir haben sie
zusammengesteckt, geprüft und ausgeliefert. Wir
haben mit drei Angestellten angefangen, dann
wurden es vier, dann sieben, dann zehn, bis es in
dem Raum einfach zu eng wurde. Bei uns war es
immer unglaublich laut, weil wir den ganzen Tag
Rockmusik hörten. Das war die Hippie-Zeit, und
die meisten Angestellten waren junge Leute mit
langen Haaren. Später wurde behauptet, daß
einige bei der Arbiet auch Gras geraucht haben,
aber davon weiß ich nichts. Jedenfalls haben wir
so viel Krach gemacht, daß die Firma nebenan
auszog. Wir haben ein Loch in die Wand gehauen,
und hatten 200 Quadratmeter Arbeitsfläche.
Irgendwann wurde auch das zu klein, und wir
mußten uns einen neuen Raum suchen. Weil wir
nicht viel Geld hatten, brauchten wir etwas
Billiges. Schließlich habe ich eine alte,
leerstehende Rollerskating-Bahn entdeckt, in die
wir eingezogen sind. In dieser Rollerskating-Bahn
sind die meisten unserer Spiele entstanden. Es war damals sehr schwer,
Geldgeber zu finden. Die meisten Bankleute
dachten, daß Games Kinderkram seien und man mit
ihnen kein Geld verdienen könnte. Die haben
Geschäfte mit Stahl verstanden, mit Eisenbahnen,
Autos oder Maschinenteilen, aber nicht mit
Computerspielen. Deswegen haben wir überhaupt
kein Geld von den Banken bekommen, bis wir 40
Millionen Dollar umgesetzt hatten.
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Was bedeutet der
Name Atari eigentlich?
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Nolan
Bushnell:
Wir waren alle begeisterte Go-Player, und beim Go
bedeutet Atari "Schach". |
Wie würden Sie die
Kultur der Gamer und der Game-Programmierer beschreiben?
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Nolan
Bushnell:
In den USA haben Wissenschaftler herausgefunden,
daß der durchschnittliche IQ hochgeht. Leute,
die sich besonderen geistigen Herausforderungen
aussetzten, trainieren ihr Gehirn. Ich glaube,
daß Leute, die schwierige Computerspiele
spielen, dadurch intelligenter werden, weil es
eine Gehirnübung ist. Ich habe nie
Computerprogrammierer eingestellt, die nicht
gerne Games spielen. Es gibt vielleicht gute
Gamer, die schlechte Programmierer sind, aber
keine guten Programmierer, die nicht auch gute
Gamer sind. |
Inzwischen werden
alte Computerspiele neu veröffentlicht. Sehen Sie einen
Unterschied zwischen den alten Games aus den 70er und
80er Jahren und denen von heute?
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Nolan
Bushnell:
Mit den Computerspielen ist es wie beim
Autofahren: 90 Prozent meiner Aufmerksamkeit ist
nach vorne gerichtet, 10 Prozent nach hinten.
Mein nächstes Projekt ist immer interessanter
als mein letztes. Das war schon bei Atari so.
Wenn ein Spiel erstmal auf dem Markt war, hatte
ich für gewöhnlich das Interesse an ihm
verloren. Aber die alten Spiele machen oft
einfach mehr Spaß. Anfang der 80er Jahre konnte
man einen schlechten Plot nicht durch gute
Graphiken übertünchen. Heute kann man ein
mittelmäßiges Spiel mit guter Graphik so
ausstatten, daß die Leute sagen: "Hey, das
ist cool." Die alten Spiele hatten einfach
klare, gute Regeln. Für viele Neueinsteiger sind
die neuen Spiele einfach zu komplex. Die wollen
Spiele, die einfach zu verstehen sind, und
deswegen halten sie sich an die Spielklassiker. |
Die Spiele, die Sie
früher bei Atari gemacht haben, liefen alle auf
stationären Rechner. Heute ist die Vernetzung von
Rechnern über das Internet das große Thema...
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Nolan
Bushnell:
Das Internet ist das Wichtigste, was in den
letzten hundert Jahren passiert ist. Ich hatte
früher eine Riesen-Bibliothek. Die habe ich
jetzt verkauft, weil ich weiß, daß ich alle
Informationen, die ich brauche, schneller und
aktueller im Internet finden kann. Ich arbeite zur Zeit an
einem Projekt, bei dem Hunderte von Gamern online
gegen andere spielen können. Stellen Sie sich
vor, man könnte bei "Doom"
Mannschaften bilden! Technische Komplexität ist
nicht halb so interessant wie soziale
Komplexität. Da könnte es Spionage, Intrigen,
Infiltritation geben. Das würde ein Spiel viel
interessanter machen.
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Jetzt haben Sie die
Professional Gamer League (PGL) gegründet. Was ist das?
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Nolan
Bushnell:
Wir wollen im Fernsehen
Computerspiel-Meisterschaften übertragen, bei
denen die besten Gamer in den USA gegeneinander
antreten. Die Leute schauen sich professionelle
Fußball oder Baseball- Spiele an. Warum soll das
nicht auch mit Computerspielen gehen? Wenn es
erstmal im Fernsehen ist, gibt es auch Sponsoren.
Wenn es Sponsoren gibt, dann gibt es auch
Honorare im Millionenbereich. Wenn es solche
Honorare gibt, gibt es viele Möchtegern-Profis.
Und solche Möchtegern- Profis sind natürlich
hervorragende Kunden! |
*Vielen
Dank an Tilman
Baumgärtel für
die Erlaubnis das Interview im Atari Museum zu
veröffentlichen.
Dieses
Interview erschien am 10.11.1998 in der Telepolis
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